Auch mein
zweiter Monat hier in Nelson und mein erster Schulterm sind nun schon vorbei
und mit ihm zahlreiche neue Erfahrungen und einiges, was ich dazugelernt habe.
Zum Beispiel, dass man in Neuseeland unter Skigebiet etwas anderes versteht als
in Deutschland bzw. Europa – Mein Tagestrip zur Rainbow Ski Area wurde ein
bisschen enttäuschend als ich feststellte, dass es dort genau zwei Ankerlifte
und nur eine wirkliche Piste gibt… Aber das ist Neuseeland und der Fakt, dass
man mit dem Bus durch Flüsse fahren muss um das Skigebiet zu erreichen und dass
die ganzen Kühe ziemlich verwirrt schauen, macht auch ein kleines Skigebiet
gleich interessanter. Außerdem kann ich jetzt immer erzählen, dass ich im
August Skifahren war – wer kann das schon?
Auch gelernt
habe ich, dass es in Neuseeland fast so viele Grüntöne wie Schafe gibt. Es ist
faszinierend, wie natürlich alles aussieht und kein Hügel dem anderen gleicht,
wie grün alles einfach ist. Es ist fast als wären alle Farben hier ein klein
wenig intensiver, das Leben ein bisschen bunter. Denn hier hat selbst der
Winter sommerliche Tage und schon jetzt im Frühling sind es teilweise 20°C, die
sich viel wärmer anfühlen, weil die Sonne so stark ist. Was allerdings anders
ist, ist dass die meisten Blumen auch im Winter blühen, weshalb man den
Frühling nicht so stark erkennen kann wie in Deutschland, wo es sich so
anfühlt, als würde alles wieder zum Leben erwachen.
Die wohl
größte Erkenntnis und Hilfe zur Selbstfindung aber war ziemlich wahrscheinlich
mein Outdoor Education Camp im Kahurangi National Park. Nachdem das erste Camp
wegen zu schlechten Wetterverhältnissen verschoben werden musste, haben wir vom
8. bis zum 10. September dann einen erneuten Versuch gestartet und das Warten
hat sich mehr als gelohnt. Wir hatten 2 Tage Sonnenschein und leichten Regen am
letzten Tag, aber eine eiskalte erste Nacht. Viele fragen sich jetzt
vielleicht, was genau ich da gemacht habe – gewandert und draußen geschlafen,
ohne Elektrizität und Zeit gelebt. Am ersten Tag sind wir etwa 3 Stunden zu
unserer Hütte hoch gelaufen und haben dann unsere Shelter gebaut, inmitten von
Schnee. Später abends, es kann 8 oder 11 gewesen sein, sind wir im Dunkeln nur
mit Kopflampen zu einem See gelaufen und haben uns dort ins Gras bzw. in den
Schnee gelegt und in den Sternenhimmel geschaut, der einfach faszinierend ist.
Es sind sehr viel mehr Sterne und Sternschnuppen zu sehen und wir konnten sogar
das Kreuz des Südens, was auf der noch aktuellen Flagge Neuseelands abgebildet
ist und die Milchstraße sehen.
Für eine schlaflose
und viel zu kalte Nacht wurden wir dann am nächsten Morgen mit dem schönsten
Sonnenaufgang, den ich je gesehen habe, belohnt. Für den Tagestrip mussten wir
glücklicherweise nicht alles mitnehmen, was das wandern um einiges leichter gemacht
hat. Die Herausforderung bestand darin, dass wir off-track gewandert sind und
unseren Weg mitten durch die Landschaft selbst finden mussten. Das war
vermutlich eine der besten Erfahrungen bisher, weil man sich so besonders
gefühlt hat, als wäre man der erste Mensch, der diesen Weg geht und vielleicht
ist das sogar möglich… Wir sind einen Berg ohne Namen mit Ice hacks hoch
geklettert und hatten von dort oben einen Blick über Middle Earth, weil es
einfach exakt so aussieht wie in Herr der Ringe, nur noch viel besser. Es ist
eine faszinierende Mischung aus Gestein, Pflanzen, Schnee und Seen, die es so vermutlich
nirgendwo anders gibt.
Nach einer
Nacht im halbwegs Warmen in der Hütte sind wir am nächsten Tag in leichtem
Regen nur zurück zu den Vans gelaufen. Bei einem Stopp an einer
Wasserfallquelle scherzte meine Lehrerin jedoch damit, wer reinspringen würde
(6°C Wassertemperatur) und so haben es einige wirklich getan, ich miteingeschlossen.
Es ist einfach nicht in Worte zu fassen, wie es sich anfühlt. Man spürt das
Wasser aus dem Berg kommen und taucht schnell wieder auf, während die Kälte
einem den Atem raubt und einfach nur wehtut und trotzdem fühlt man sich mehr
als nur fantastisch. Ich hätte nie von mir gedacht, dass ich so etwas einmal
machen würde und habe es nicht geglaubt, bis ich auch wirklich abgesprungen bin
– aber dann war ich einfach nur stolz und fühle mich jetzt so, als könnte ich
alles schaffen, wenn ich es nur wirklich will. Und das Gefühl ist unglaublich,
ich vertraue mir jetzt mehr, als ich es je für möglich gehalten habe.
Was ich noch
über mich gelernt habe ist, dass ich mein Handy doch nicht wirklich brauche und
auch eine wundervolle Zeit ohne es verbringen kann; zuvor habe ich das ehrlich
gesagt nicht für möglich gehalten. Auch eine Uhr war überflüssig in diesen drei
Tagen, Zeit spielte keine Rolle. Man ist aufgestanden, wenn es hell wurde, hat
gegessen wenn man hungrig war und geschlafen, wenn man müde wurde. Ich habe
mehr in der Gegenwart gelebt als je zuvor, nichts außerhalb meiner Gruppe und
unserer Umgebung spielte eine Rolle, nicht was zuhause passiert und auch nicht
die Zeit. Wir waren frei auf eine Art und Weise, die schwer nachzuvollziehen
ist, wenn man es nicht selbst einmal erlebt hat, aber ich kann jedem nur dazu
raten. Ich habe in diesen nur drei Tagen unglaublich viel über mich gelernt und
dafür hätte ich nicht einmal zwingend in Neuseeland sein müssen – die Chance
ist da, überall und jederzeit, aber das muss man erst einmal begreifen.
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